Das Buch Tobit

Kapitel 1: Schicksale und Prüfungen

Tobits Gesetzestreue

1 Tobit vom Stamm Naftali, aus Tisbe, einem Ort südlich von Kedesch-Naftali in Galiläa, oberhalb Hazor,

2 wurde in den Tagen Salmanassars, des Königs der Assyrer, in die Gefangenschaft weggeführt. Aber auch in der Gefangenschaft verließ er nicht den Weg der Wahrheit.

3 Alles, was er hatte, teilte er täglich mit seinen gefangenen Landsleuten.

4 Obwohl er der jüngste von allen im Stamm Naftali war, zeigte er nichts Kindhaftes in seiner Handlungsweise.

5 Während alle zu den goldenen Kälbern gepilgert waren, die Jerobeam, der König von Israel, hatte aufstellen lassen, war er allein diesen Zusammenkünften ferngeblieben.

6 Er war nach Jerusalem zum Tempel des Herrn gepilgert, hatte dort den Herrn, den Gott Israels, angebetet und getreulich alle seine Erstlinge und Zehnten dargebracht.

7 Auch entrichtete er in jedem dritten Jahr den Proselyten und Fremdlingen den Zehnten von allem.

8 Dies und anderes beobachtete er nach dem Gesetz Gottes schon in seiner Jugend.

9 Als er zum Mann herangereift war, hatte er Hanna aus seinem Stamm zur Frau genommen. Sie gebar ihm einen Sohn, dem er seinen Namen gab.

10 Er lehrte ihn von Kindheit an, Gott zu fürchten und jede Sünde zu meiden.

 

Tobits Nächstenliebe

11 Mit seiner Frau und seinem Sohn kam er als Gefangener nach Ninive, wo er mit seinem ganzen Stamm zusammentraf.

12 Während aber alle von den Speisen der Heiden aßen, enthielt er sich der Speisen und verunreinigte seine Seele nicht.

13 Weil er von ganzem Herzen des Herrn eingedenk war, ließ ihn Gott beim König Salmanassar Gnade finden.

14 Dieser gab ihm die Erlaubnis, nach Belieben umherzureisen. Auch durfte er nach eigenem Ermessen handeln.

15 So suchte er alle auf, die in der Gefangenschaft lebten, und gab ihnen heilsame Ermahnungen.

16 Im Besitz von zehn Talenten Silber, mit denen er vom König belohnt worden war, kam er auch nach Rages, einer Stadt der Meder.

17 Da er unter seinen zahlreichen Volksgenossen den Gabaël, der aus seinem Stamm war, in großer Not fand, gab er ihm gegen einen Schuldbrief die erwähnte Summe Geldes.

18 Lange Zeit danach starb König Salmanassar, und sein Sohn Sanherib wurde an seiner Statt König. Ihm waren die Söhne Israels verhaßt.

19 Da ging Tobit täglich bei allen Verwandten umher, tröstete sie und teilte einem jeden nach Kräften von seinem Vermögen mit.

20 Er speiste die Hungrigen, gab den Nackten Kleider und war besorgt, die Verstorbenen und Ermordeten zu begraben.

21 Auch als König Sanherib auf der Flucht vor dem Strafgericht, das Gott über ihn wegen seiner Lästerung verhängt hatte, aus Judäa zurückgekehrt war und voll Wut viele Israeliten ermorden ließ, begrub Tobit ihre Leichen.

22 Sobald dies dem König hinterbracht wurde, befahl er, ihn zu töten, und beschlagnahmte sein ganzes Vermögen.

23 Tobit floh mit seinem Sohn und seiner Frau. Aller Habe beraubt, fand er ein Versteck; denn viele hatten ihn liebgewonnen.

24 Fünfundvierzig Tage später wurde der König von seinen eigenen Söhnen ermordet.

25 Tobit kehrte wieder in sein Haus zurück, und sein ganzes Vermögen wurde ihm zurückgegeben.

 

Kapitel 2: Prüfung des Tobit

1 Als danach an einem Fest des Herrn im Haus des Tobit ein Festmahl gehalten wurde,

2 sprach er zu seinem Sohn: "Geh und hole einige gottesfürchtige Männer unseres Stammes herein, daß sie mit uns speisen!"

3 Kaum war dieser weggegangen, kehrte er mit der Nachricht zurück, einer von den Söhnen Israels liege erwürgt auf der Straße. Sogleich sprang Tobit von seinem Sitz auf, ließ das Mahl stehen und ging, ohne etwas gegessen zu haben, zu der Leiche hin.

4 Er hob sie auf und trug sie heimlich in sein Haus, um sie nach Sonnenuntergang mit aller Vorsicht zu begraben.

5 Als er die Leiche geborgen hatte, aß er sein Mahl in banger Trauer;

6 denn er gedachte des Wortes, das der Herr durch den Propheten Amos gesprochen: "Eure Festtage sollen in Trauer und Klage verwandelt werden."

7 Nach Sonnenuntergang ging er hin und begrub den Leichnam.

8 Alle seine Nachbarn machten ihm Vorwürfe und sagten: "Du solltest deswegen schon einmal getötet werden, und kaum bist du dem Mordbefehl entronnen, begräbst du schon wieder die Toten!"

9 Tobit aber fürchtete Gott mehr als den König. Er nahm schnell die Leichen der Erschlagenen, verbarg sie in seinem Haus und begrub sie mitten in der Nacht.

10 Eines Tages kam er müde vom Begraben nach Hause, legte sich an der Wand nieder und schlief ein.

11 Als er schlief, fiel aus einem Schwalbennest warmer Kot auf seine Augen, und er wurde blind.

12 Diese Prüfung ließ der Herr über ihn kommen. Er sollte dadurch der Nachwelt ein Beispiel der Geduld geben wie der frommen Ijob.

13 Da er von Kindheit an gewohnt war, Gott zu fürchten und seine Gebote zu halten, murrte er nicht gegen Gott, als ihm das Unglück zugestoßen war.

14 Vielmehr verharrte er unerschütterlich in der Gottesfurcht und dankte Gott alle Tage seines Lebens.

15 Wie aber die Fürsten den heiligen Ijob beschimpften, so spotteten auch seine Verwandten und Bekannten über seinen Lebenswandel und sagten:

16 "Wo ist deine Hoffnung, um derentwillen du Almosen gabst und die Toten begrubst?"

17 Tobit aber verwies es ihnen und sprach: "Führt nicht solche Reden!

18 Wir sind Kinder der Heiligen und erwarten das Leben, das Gott denen gibt, die in ihrer Treue von ihm nicht ablassen."

19 Hanna, seine Frau, ging täglich aus zum Weben und brachte heim, was sie durch ihrer Hände Arbeit zum Lebenunterhalt verdienen konnte.

20 Eines Tages hatte sie ein Ziegenböcklein erhalten und brachte es nach Hause.

21 Als ihr Mann es meckern hörte, sprach er: "Das ist doch nicht gestohlen? Sonst bringe es seinem Herrn zurück; denn Gestohlenes dürfen wir weder essen noch anrühren."

22 Zornig erwiderte hierauf seine Frau: "Daß deine Hoffnung eitel war, hat sich gezeigt, und man sieht jetzt, was dein Almosen nützte."

23 Mit diesen und ähnlichen Worten machte sie ihm Vorwürfe.

 

Kapitel 3: Tobits Gebet

1 Da seufzte Tobit und begann unter Tränen zu beten, indem er sprach:

2 "Gerecht bist du, o Herr, und gerecht sind alle deine Schickungen. Alle deine Wege sind Erbarmen, Treue und Heil.

3 Darum, o Herr, gedenke meiner und strafe mich nicht wegen meiner Sünden und gedenke nicht meiner und meiner Väter Missetaten!

4 Weil wir gegen deine Gebote ungehorsam waren, sind wir der Plünderung, der Gefangenschaft und dem Tod preisgegeben, dem Spott und Hohn aller Völker, unter die du uns zerstreut hast.

5 Ja, Herr, groß ist dein Gericht; denn wir haben nicht nach deinen Geboten gelebt und sind nicht aufrichtig vor dir gewandelt.

6 Nun aber, o Herr, verfahre mit mir nach deiner Huld und laß meinen Geist in Frieden aufgenommen werden, denn es ist besser für mich zu sterben als zu leben."

 

Saras Bedrängnis und Gebet

7 Am selben Tag mußte auch Sara, die Tochter Raguëls in Rages, einer Stadt der Meder, von einer der Mägde ihres Vaters Schmähungen hören.

8 Sie war nämlich schon sieben Männern zur Frau gegeben worden, weil ein böser Geist mit Namen Aschmodai die Männer getötet hatte, sobald sie zu ihr eingetreten waren.

9 Als sie der Magd wegen eines Fehlers einen Verweis gab, sprach diese zu ihr: "Nie möchten wir einen Sohn oder eine Tochter von dir auf der Welt sehen, du Mörderin deiner Männer!

10 Willst du auch mich töten, wie du schon sieben Männer getötet hast?"

11 Auf diese Worte hin begab sich Sara ins Obergemach ihres Hauses und aß und trank drei Tage und drei Nächte nicht, sondern verharrte im Gebet und flehte unter Tränen zu Gott, er möge sie von dieser Schmach befreien.

12 Als sie am dritten Tag ihr Gebet beendete, pries sie den Herrn

13 und sprach: "Gepriesen sei dein Name, Gott unserer Väter! Du übst Erbarmen, wenn du gezürnt hast, und vergibst zur Zeit der Trübsal denen die Sünden, die dich anrufen.

14 Darum wende ich zu dir, o Herr, mein Angesicht und erhebe zur dir meine Augen.

15 Ich bitte dich, o Herr, befreie mich von den Fesseln dieser Schmach oder nimm mich weg von der Erde!

16 Du weißt, o Herr, ich habe nie nach einem Mann verlangt und habe meine Seele rein bewahrt von aller Begierde.

17 Nie habe ich mich den Ausgelassenen zugesellt noch mit Leichtsinnigen Umgang gepflogen.

18 Nur in Furcht vor dir, nicht aus eigener Gier, willigte ich in die Ehe mit einem Mann ein.

19 Doch entweder war ich ihrer nicht wert, oder sie waren meiner nicht wert, weil du mich einem andern Mann vorbehalten hast.

20 Denn über deine Ratschlüsse hat der Mensch keine Macht.

21 Davon aber ist jeder, der dich verehrt, überzeugt: Wenn er in Prüfung war, wird gekrönt sein Leben. Wenn er in Trübsal war, wird er befreit. Ist er gezüchtigt worden, dann kann er Erbarmen bei dir finden.

22 Du hast ja kein Wohlgefallen an unserem Verderben; denn nach dem Sturm schaffst du Ruhe, nach Tränen und Klagen flößt du Frohlocken ein.

23 Dein Name, Gott Israels, sei gepriesen in Ewigkeit!"

24 Die Bitten beider fanden gleichzeitig Erhörung bei der Majestät des höchsten Gottes.

25 Ein Engel des Herrn, der heilige Rafael, ward gesandt, beiden zu helfen, deren Bitten gleichzeitig dem Herrn vorgetragen wurden.

 

Kapitel 4: Die Sendung des Erzengels Rafael

Ermahnungen Tobits an seinen Sohn

1 Da nun Tobit glaubte, seine Bitte, sterben zu dürfen, sei erhört, ließ er seinen Sohn Tobias zu sich kommen

2 und sprach zu ihm: "Mein Sohn, höre die Worte meines Mundes und lege sie wie einen Grundstein in dein Herz!

3 Wenn Gott meine Seele zu sich nimmt, bestatte meinen Leib! Deine Mutter aber halte in Ehren alle Tage deines Lebens!

4 Bedenke, wie viele und große Gefahren sie deinetwegen im Mutterschoß hatte.

5 Wenn auch ihre Lebenszeit zu Ende ist, bestatte sie neben mir.

6 Alle Tages deines Lebens habe Gott vor Augen! Hüte dich, je in eine Sünde einzuwilligen und die Gebote des Herrn, unseres Gottes, zu übertreten.

7 Gib Almosen von deinem Vermögen und wende dein Angesicht nie ab von einem Armen! Dann wird sich auch von dir das Angesicht des Herrn niemals abwenden.

8 Sei barmherzig, soviel du es vermagst!

9 Hast du viel, gib reichlich! Hast du wenig, such auch das Wenige gern zu geben!

10 So sammelst du dir einen herrlichen Lohn für den Tag der Not.

11 Das Almosen errettet von Sünden aller Art und vom Tod und läßt die Seele nicht in die Finsternis hinabsteigen.

12 Große Sicherheit vor dem höchsten Gott gibt das Almosen allen, die es spenden.

13 Hüte dich, mein Sohn, vor aller Unkeuschheit. Gestatte dir neben deiner Frau keinen Verkehr mit einer anderen.

14 Laß dich nie in deinen Gedanken und in deinen Worten vom Stolz beherrschen; denn mit ihm hat alles Übel seinen Anfang genommen.

15 Hat jemand für dich gearbeitet, gib ihm gleich den Lohn und halte den Verdienst des Tagelöhners nicht zurück!

16 Was du nicht willst, das man dir tut, das tu auch keinem anderen!

17 Teile mit dem Hungernden und Dürftigen dein Brot und bedecke den Nackten mit deinen Kleidern!

18 Bringe dein Brot und deinen Wein zum Begräbnis der Gerechten. Iß und trink aber nicht davon mit den Sündern.

19 Suche stets Rat bei einem Weisen!

20 Preise Gott zu aller Zeit und bitte ihn, daß er deine Wege lenkt und daß all dein Vorhaben durch ihn gelingt!

21 Ich teile dir auch mit, mein Sohn, daß ich, als du noch klein warst, dem Gabaël zu Rages, einer Stadt der Meder, zehn Talente Silber gab. Der Schuldschein ist noch in meinem Besitz.

22 Sieh also zu, wie du zu Gabaël kommen und die erwähnte Summe Geldes gegen Abgabe des Schuldbriefes wiedererhalten kannst.

23 Sei getrost, mein Sohn! Wir führen zwar ein armes Leben. Aber wir besitzen einen großen Reichtum, wenn wir Gott fürchten, jede Sünde meiden und Gutes tun."

 

Kapitel 5:

1 Tobias erwiderte seinem Vater: "Alles, was du mir befohlen hast, Vater, will ich tun.

2 Wie ich aber das Geld einfordern soll, weiß ich nicht. Jener kennt mich nicht, und ich kenne ihn nicht. Wie soll ich mich ausweisen? Auch den Weg, der dorthin führt, kenne ich nicht."

3 Der Vater entgegnete ihm: "Ich habe noch einen Schuldschein in meinen Händen. Wenn du ihm diesen zeigst, wird er dir das Geld sofort zurückgeben.

4 Nun aber geh und suche dir einen zuverlässigen Mann, der gegen Bezahlung mit dir geht, damit du das Geld zurückerhältst, solange ich noch lebe!"

 

Der Engel Rafael bietet sich als Begleiter an

5 Da ging Tobias aus und traf einen stattlichen Jüngling, der aufgeschürzt und reisefertig dastand.

6 Er wußte nicht, daß es ein Engel Gottes war. Er grüßte ihn und sprach: "Woher bist du, trefflicher Jüngling?"

7 Jener antwortete: "Ich gehöre zu den Söhnen Israels." Tobias fragte ihn: "Kennst du den Weg nach Medien?"

8 Er antwortete ihm: "Ich kenne ihn. Alle Wege in dem Land bin ich oft gegangen. Ich habe mich bei unserem Bruder Gabaël aufgehalten, der in Rages, einer medischen Stadt im Gebirge von Ekbatana, wohnt."

9 Tobias sprach zu ihm: "Ich bitte dich, warte ein wenig, bis ich dies meinem Vater gemeldet habe."

10 Und Tobias ging hinein und berichtete dies alles seinem Vater. Der Vater verwunderte sich darüber und ließ ihn bitten, zu ihm hereinzukommen.

11 Er ging hinein und grüßte ihn mit den Worten: "Freude sei dir allezeit!"

12 Tobit erwiderte: "Welche Freude kann ich noch haben, da ich im Finstern sitze und das Himmelslicht nicht sehe?"

13 Der Jüngling entgegnete ihm: "Sei guten Mutes! Bald wirst du von Gott geheilt."

14 Dann fragte ihn Tobit: "Kannst du meinen Sohn zu Gabaël nach der Stadt Rages in Medien führen? Bei deiner Rückkehr werde ich dir deinen Lohn geben."

15 Der Engel antwortete ihm: "Ich will ihn hinführen und zu dir zurückbringen."

16 Tobit entgegnete ihm: "Ich bitte dich, sage mir, aus welcher Familie und aus welchem Stamm bist du?"

17 Der Engel Rafael antwortete ihm: "Fragst du mehr nach der Herkunft als nach der Person des Lohndieners, der mit deinem Sohn gehen soll?

18 Aber um dich nicht in Unruhe zu lassen: Ich bin Asarja, der Sohn des großen Hananja."

19 Tobit erwiderte: "So bist du aus einem vornehmen Geschlecht. Zürne mir bitte nicht, daß ich dein Geschlecht erfahren wollte!"

20 Der Engel sprach zu ihm: "Ich werde deinen Sohn wohlbehalten hin- und zurückführen."

21 Tobit sprach: "Reist glücklich! Gott sei mit euch auf eurer Reise, und sein Engel begleite euch!"

22 Nachdem alles bereit war, was sie auf den Weg mitnehmen sollten, nahm Tobias Abschied von Vater und Mutter, und beide traten miteinander die Reise an.

23 Als sie fortgezogen waren, fing die Mutter an zu weinen und sagte: "Die Stütze unseres Alters hast du uns genommen und von uns ziehen lassen.

24 Wäre doch nie das Geld gewesen, um dessentwillen du ihn weggeschickt hast.

25 Wir waren ja mit unserer Armut zufrieden und konnten den Anblick unseres Sohnes für Reichtum halten."

26 Tobit sprach zu ihr: "Weine nicht! Unser Sohn wird wohlbehalten zu uns zurückkehren, und deine Augen werden ihn wiedersehen.

27 Denn ich glaube, daß ein guter Engel Gottes ihn begleitet und alles gut lenkt, so daß er mit Freuden zu uns heimkehrt."

28 Bei diesen Worten hörte seine Mutter auf zu weinen und beruhigte sich.

 

Kapitel 6: Der große Fisch

1 Tobias reiste also ab. Sein Hund folgte ihm. Am ersten Abend machte er am Tigris halt.

2 Als er hinging, um seine Füße zu waschen, kam plötzlich ein großer Fisch hervor und wollte ihn verschlingen.

3 Voll Angst schrie Tobias laut auf: "Herr, er geht auf mich los!"

4 Doch der Engel sprach zu ihm: "Packe ihn bei den Kiemen und zieh ihn an dich heran!" Er tat dies und zog den Fisch auf das Trockene. Dieser zappelte vor seinen Füßen.

5 Da sagte der Engel zu ihm: "Weide den Fisch aus! Sein Herz, seine Galle und Leber hebe dir auf; denn diese kann man als nützliche Heilmittel gebrauchen."

6 Er tat dies und briet das Fleisch des Fisches. Sie nahmen es mit auf den Weg. Das übrige salzten sie ein, damit sie genug hätten, bis sie nach der Stadt Rages in Medien kämen.

7 Später fragte Tobias den Engel: "Ich bitte dich, Bruder Asarja, sage mir doch, welche Heilkraft besitzt das, was du mich vom Fisch aufheben ließest?"

8 Der Engel antwortete ihm: "Wenn du ein Stückchen vom Herzen auf Kohlen legst, vertreibt der Rauch davon alle Arten böser Geister von Mann und Frau, daß sie ihnen nicht mehr nahen.

9 Die Galle aber benutzt man, um die Augen zu bestreichen, in denen weiße Flecken sind, und sie werden dadurch geheilt."

 

Vor Ekbatana

10 Tobias fragte ihn: "Wo sollen wir übernachten?"

11 Der Engel antwortete: "Es wohnt hier ein Mann namens Raguël, ein naher Verwandter von dir. Er hat eine Tochter mit Namen Sara. Sonst hat er weder Sohn noch Tochter.

12 Dir fällt sein ganzes Vermögen zu. Du mußt sie zur Frau nehmen.

13 Halte also bei ihrem Vater um sie an, und er wird sie dir zur Frau geben."

14 Tobias entgegnete: "Ich höre, daß sie schon sieben Männern zur Frau gegeben war und daß diese gestorben sind. Ich hörte auch, ein böser Geist habe dieselben getötet.

15 Darum fürchte ich, es möchte mir ebenso ergehen; und da ich das einzige Kind meiner Eltern bin, brächte ich sie in ihrem hohen Alter vor Gram unter die Erde."

16 Da sprach der Engel Rafael zu ihm: "Höre auf mich, und ich will dir zeigen, über welche Menschen der böse Geist Gewalt hat.

17 Es sind solche, die eine Ehe so eingehen, daß sie Gott aus dem Herzen verbannen und wie vernunftlose Pferde und Maultiere nur ihrer Lüsternheit frönen. Über solche hat der böse Geist Gewalt.

18 Wenn du Sara zur Frau genommen und das Brautgemach betreten hast, enthalte dich drei Tage und obliege mit ihr nur dem Gebet!

19 In der ersten Nacht zünde die Fischleber an, dann wird der böse Geist fliehen.

20 In der zweiten Nacht wirst du zu der Gemeinschaft der Patriarchen zugelassen werden.

21 In der dritten Nacht wirst du den Segen erlangen, daß ihr gesunde Kinder bekommt.

22 Wenn die dritte Nacht vorüber ist, nimm die Jungfrau in der Furcht des Herrn zu dir, mehr aus Verlangen nach Kindern als von der Begierde getrieben, damit du unter der Nachkommenschaft Abrahams reichen Kindersegen erhältst."

 

Kapitel 7: Ankunft in Ekbatana

1 Sie kehrten also bei Raguël ein, und Raguël nahm sie mit Freuden auf.

2 Raguël sah Tobias an und sagte zu Hanna, seiner Frau: "Wie gleicht dieser Jüngling meinem Vetter!"

3 Dann fragte er: "Woher kommt ihr, junge Männer, Brüder?" Sie antworteten: "Wir sind vom Stamm Naftali und gehören zu den Verbannten in Ninive."

4 Raguël sprach zu ihnen: "Kennt ihr meinen Bruder Tobit?" – Sie erwiderten: "Wir kennen ihn."

5 Nachdem Raguël viel Gutes von ihm erzählt hatte, sagte der Engel zu ihm: "Tobit, nach dem du dich erkundigst, ist der Vater von diesem hier."

6 Da fiel ihm Raguël um den Hals, küßte ihn unter Tränen, hielt ihn weinend umschlungen und sagte:

7 "Gesegnet seist du, mein Sohn; denn du bist der Sohn eines guten, rechtschaffenen Mannes."

8 Auch seine Frau Hanna und ihre Tochter Sara weinten.

9 Nachdem sie so miteinander gesprochen hatten, ließ Raguël einen Widder schlachten und ein Mahl bereiten.

 

Des Tobias Vermählung mit Sara

10 Als er sie einlud, sich zum Mahl niederzulassen, sagte Tobias: "Ich werde hier heute nicht eher essen und trinken, bis du mir meine Bitte erfüllst und versprichst, mir deine Tochter Sara zur Frau zu geben."

11 Bei diesen Worten erschrak Raguël; denn er dachte daran, was jenen sieben Männern begegnet war, die ihr genaht waren. Er fürchtete, es möchte diesem auch so ergehen.

12 Weil er zögerte und dem Bewerber keine Antwort gab, sprach der Engel zu ihm: "Trage keine Bedenken, sie ihm zu geben; denn für diesen gottesfürchtigen Mann ist deine Tochter zur Frau bestimmt Darum konnte sie kein anderer erhalten."

13 Da sagte Raguël: "Ich zweifle nun nicht mehr daran, daß Gott mein Gebet und meine Tränen vor sein Angesicht kommen ließ,

14 und ich glaube, daß er euch deshalb zu mir geführt hat, damit sie nach dem Gesetz des Mose in ihrer Verwandtschaft heiratet. Hege nun keinen Zweifel mehr, daß ich sie dir geben werde!"

15 Raguël nahm nun die Rechte seiner Tochter und legte sie in die Rechte des Tobias mit den Worten: "Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs sei mit euch! Er möge euch verbinden und seinen Segen an euch erfüllen!"

16 Dann nahmen sie Papier und schrieben den Ehevertrag.

17 Alsdann hielten sie mit Dank gegen Gott das Mahl.

18 Raguël rief seine Frau Hanna zu sich und ließ sie ein anderes Gemach herrichten.

19 Und sie führte ihre Tochter Sara hinein. Diese aber weinte.

20 Da sprach sie zu ihr: "Sei guten Mutes, meine Tochter! Der Herr des Himmels schenke dir nun Freude für das Leid, das du erduldet hast!"

 

Kapitel 8: Die Neuvermählten

1 Nach dem Mahl führten sie den Jüngling zu ihr hinein.

2 Tobias gedachte der Worte des Engels, nahm aus seiner Reisetasche ein Stück von der Leber und legte es auf glühende Kohlen.

3 Darauf ergriff der Engel Rafael den bösen Geist und bannte ihn in die Wüste von Oberägypten.

4 Tobias aber ermahnte die Jungfrau und sagte zu ihr: "Sara, steh auf! Wir wollen heute, morgen und übermorgen zu Gott beten. In diesen drei Nächten wollen wir uns mit Gott vereinigen. Nach der dritten Nacht aber wollen wir von unserer Ehe Gebrauch machen.

5 Denn wir sind Kinder der Heiligen und dürfen uns nicht so vereinigen wie die Heiden, die Gott nicht kennen."

6 Sie standen zusammen auf und beteten inständig miteinander, daß ihnen Heil werden möchte.

7 Tobias sprach: "Herr, Gott unserer Väter! Preisen sollen dich Himmel und Erde, Meer, Quellen und Ströme und alles, was du darin erschaffen hast!

8 Du hast Adam aus dem Lehm der Erde gebildet und ihm Eva als Gehilfin gegeben.

9 Du weißt, o Herr, daß ich meine Schwester nicht aus Wollust zur Frau nahm, sondern aus Liebe zu Nachkommen, durch die dein Name in alle Ewigkeit gepriesen werden soll."

10 Sara sprach: "Erbarme dich unser, o Herr, erbarme dich unser und schenke uns beiden ein langes Leben in Gesundheit!"

11 Um die Zeit des Hahnenschreis rief Raguël seine Knechte herbei, und sie gingen zusammen hinaus, um ein Grab zu schaufeln.

12 Denn er dachte: "Vielleicht geht es ihm ebenso wie den anderen sieben Männern, die ihr genaht sind."

13 Als sie das Grab hergerichtet hatten, kehrte Raguël zu seiner Frau zurück und sprach zu ihr:

14 "Schicke eine von deinen Mägden und laß sie nachsehen, ob er tot ist! Dann will ich ihn begraben, bevor es Tag wird."

15 Sie schickte eine von ihren Mägden hinein. Diese trat in das Gemach und fand sie gesund und wohl beieinander schlafen.

16 Als sie mit dieser freudigen Nachricht zurückkehrte,

17 priesen Raguël und seine Frau Hanna den Herrn und sprachen:

18 "Wir danken dir, Herr, Gott Israels, weil nicht eingetroffen ist, was wir befürchteten. Du hast an uns Barmherzigkeit geübt und den Feind von uns verbannt, der uns verfolgte,

19 und hattest Erbarmen mit den beiden einzigen Kindern. Gib, Herr, daß sie dich noch mehr preisen und dir ein Opfer des Dankes für ihre Errettung darbringen! So sollen alle Heiden erkennen, daß du allein Gott bist auf der ganzen Welt."

 

Die Hochzeitsfeier

20 Sogleich befahl Raguël seinen Knechten, das Grab, das sie geschaufelt hatten, wieder zuzuwerfen, bevor es Tag würde.

21 Seine Frau aber hieß er ein Freudenmahl herrichten und alles zurichten, was zum Unterhalt auf der Reise diente.

22 Auch ließ er zwei fette Kühe und vier Widder schlachten und für alle seine Nachbarn und seine sämtlichen Freunde ein Mahl bereiten.

23 Raguël bat Tobias dringend, zwei Wochen bei ihm zu bleiben.

24 Von seiner ganzen Habe gab Raguël dem Tobias die Hälfte und setzte ein Schriftstück auf, daß die andere Hälfte nach seinem Tod dem Tobias zufallen sollte.

 

Kapitel 9: Rafael reist nach Rages

1 Alsdann rief Tobias den Engel, den er für einen Menschen hielt, zu sich und sprach zu ihm: "Bruder Asarja, ich bitte, höre auf meine Worte!

2 Wenn ich mich dir auch zum Sklaven anböte, könnte ich damit deine Fürsorge nicht genügend vergelten.

3 Dennoch habe ich eine Bitte: Nimm dir Tiere und Knechte und reise zu Gabaël nach der Stadt Rages in Medien! Gib ihm seinen Schuldbrief zurück und nimm das Geld von ihm in Empfang! Auch lade ihn zu meiner Hochzeit ein!

4 Du weißt ja, mein Vater zählt die Tage und macht sich Sorgen, wenn ich auch nur einen Tag länger ausbleibe.

5 Du siehst auch, wie Raguël mich so dringend gebeten hat. Seine inständige Bitte darf ich nicht abschlagen."

6 Da nahm Rafael vier von den Knechten Raguëls und zwei Kamele und reiste nach der Stadt Rages in Medien. Er fand Gabaël, gab ihm den Schuldbrief und erhielt von ihm den ganzen Betrag.

7 Dann erzählte er ihm von Tobias, dem Sohn des Tobit, alles, was sich zugetragen hatte. Er brachte ihn auch mit zur Hochzeit.

8 Als er in das Haus des Raguël trat, traf er Tobias beim Mahl. Dieser sprang auf, und sie küßten sich. Gabaël weinte, pries Gott und sprach:

9 "Es segne dich der Gott Israels; denn du bist der Sohn eines vortrefflichen Mannes, der gerecht, gottesfürchtig und mildtätig ist.

10 Gesegnet seien auch deine Frau und eure Eltern!

11 Möget ihr eure Kinder und Enkel sehen bis ins dritte und vierte Geschlecht! Eure Nachkommen seien gesegnet von dem Gott Israels, der da herrscht in alle Ewigkeit!"

12 Alle sagten: "So geschehe es!" Dann gingen sie zum Mahl. Sie hielten aber das Hochzeitsmahl in der Furcht des Herrn.

 

Kapitel 10: Sorge im Elternhaus

1 Da Tobias der Hochzeit wegen länger ausblieb, ward sein Vater Tobit besorgt und sprach: "Warum bleibt wohl mein Sohn so lange aus? Weswegen mag er dort zurückgehalten werden?

2 Ist Gabaël vielleicht gestorben und niemand da, der ihm das Geld zurückgibt?"

3 So begann er sich sehr zu ängstigen und mit ihm auch seine Frau Hanna. Beide fingen an, miteinander zu weinen, weil ihr Sohn an dem bestimmten Tag nicht zu ihnen zurückkehrte.

4 Seine Mutter weinte unaufhörlich und sagte unter Tränen: "Ach, ach, mein Sohn! Warum haben wir dich in die Fremde geschickt, du Licht unserer Augen, Stab unseres Alters, Trost unseres Lebens und Hoffnung auf unsere Nachkommenschaft?

5 Du allein warst unser Alles. Wir hätten dich nicht wegschicken sollen."

6 Tobit sprach zu ihr: "Sei still, beunruhige dich nicht. Unser Sohn ist wohlbehalten. Jener Mann, mit dem wir ihn weggeschickt haben, ist ganz zuverlässig."

7 Aber sie wollte sich nicht trösten lassen. Täglich eilte sie hinaus, um Ausschau zu halten. Sie ging alle Wege ab, auf denen er vermutlich heimkehren konnte, um ihn womöglich schon von weitem kommen zu sehen.

 

Des Tobias Heimreise

8 Indes sprach Raguël zu seinem Schwiegersohn: "Bleibe noch hier. Ich will deinem Vater Tobit frohe Nachricht über dich senden."

9 Tobias erwiderte ihm " Vater und Mutter zählen jetzt die Tage, und ihr Herz ängstigt sich."

10 Als Tobias sich trotz der vielen Bitten Raguëls nicht bewegen ließ, ihm zu willfahren, übergab dieser ihm Sara und die Hälfte seines ganzen Vermögens, Knechte und Mägde, Kleinvieh, Kamele, Kühe und viel Geld. So entließ er ihn gesund und froh

11 mit den Worten: "Der heilige Engel des Herrn sei auf eurem Weg und geleite euch wohlbehalten! Möget ihr bei euren Eltern alles gesund antreffen! Mögen meine Augen eure Kinder schauen, ehe ich sterbe!"

12 Dann umarmten die Eltern ihre Tochter, küßten sie und entließen sie

13 mit der Ermahnung, ihre Schwiegereltern zu ehren, ihren Mann zu lieben, ihr Gesinde in Zucht zu halten, dem Haus recht vorzustehen und sich selbst tadellos zu führen.

 

Kapitel 11:

1 Auf der Heimreise kamen sie am elften Tag nach Kaserin, das auf halbem Weg nach Ninive liegt.

2 Da sprach der Engel: "Bruder Tobias, du weißt, wie du deinen Vater verlassen hast.

3 Wenn es dir recht ist, wollen wir vorauseilen. Das Gesinde mit deiner Frau und den Tieren mag langsam nachfolgen."

4 Tobias war damit einverstanden, und Rafael sprach zu ihm: "Nimm etwas von der Galle des Fisches mit! Wir werde es brauchen." Da nahm Tobias etwas von der Galle, und sie zogen voran.

 

Die Heilung des blinden Vaters

5 Hanna aber saß Tag für Tag am Weg oben auf einer Anhöhe, von wo sie einen weiten Ausblick hatte.

6 Wie sie von dort aus auf seine Rückkehr wartete, sah sie in der Ferne ihren Sohn kommen. Sie erkannte ihn sofort und meldete eilig ihrem Mann: "Siehe, dein Sohn komm!"

7 Indes gab Rafael dem Tobias die Weisung: "Sobald du nach Hause kommst, bete sofort den Herrn, deinen Gott, an und danke ihm!

8 Dann geh zu deinem Vater und küsse ihn und bestreiche sogleich seine Augen mit der Fischgalle, die du bei dir hast! Denn wisse, alsbald werden seine Augen geöffnet, und dein Vater wird das Licht des Himmels sehen und sich über deinen Anblick freuen."

9 Der Hund, der sie auf der Reise begleitet hatte, sprang voraus und gleichsam als Bote ankommend, wedelte er vor Freude mit seinem Schwanz.

10 Der blinde Vater erhob sich und wollte hinlaufen. Aber er strauchelte. Darum gab er einem Knecht die Hand und eilte seinem Sohn entgegen.

11 Er und seine Frau umarmten ihn, und beide begannen vor Freude zu weinen.

12 Dann beteten sie Gott an und dankten ihm. Hierauf setzten sie sich nieder,

13 und Tobias nahm von der Galle des Fisches und bestrich damit die Augen seines Vaters.

14 Nach etwa einer halben Stunde begann die weiße Augenhaut von seinen Augen sich abzulösen wie das Häutchen eines Eies.

15 Tobias faßte sie und zog sie von den Augen, und sofort konnte jener wieder sehen.

16 Sie priesen Gott, er, seine Frau und alle seine Bekannten.

17 Tobit sprach: "Ich preise dich, Herr, Gott Israels. Du hast mich gezüchtigt und mich wieder geheilt. Nun sehe ich meinen Sohn Tobias wieder."

18 Nach sieben Tagen kamen auch Sara, die Frau seines Sohnes, und das ganze Gesinde wohlbehalten an, auch das Vieh, die Kamele, das viele Geld der Frau und das Geld, das er von Gabaël zurückerhalten hatte.

19 Nun erzählte er seinen Eltern alle Wohltaten, die Gott ihm durch seinen Reisebegleiter erwiesen hatte.

20 Auch Achikar und Nadab, die Neffen des Tobit, kamen voll Freude zu Tobias und beglückwünschten ihn ob all des Guten, das Gott an ihm getan hatte.

21 Sieben Tage hielten sie Hochzeit, und alle waren in freudiger Stimmung.

 

Kapitel 12: Der Engel gibt sich zu erkennen

1 Dann rief Tobit seinen Sohn zu sich und sagte zu ihm: "Was geben wir nur diesem heiligen Mann, der dich begleitet hat?"

2 Tobias erwiderte seinem Vater: "Vater, welchen Lohn können wir ihm geben oder womit können seine Wohltaten gebührend vergolten werden?

3 Er hat mich wohlbehalten hin- und zurückgeführt, hat selbst das Geld bei Gabaël geholt, hat mir zu einer Frau verholfen und den bösen Geist von ihr vertrieben und ihren Eltern damit Freude bereitet. Mich hat er bewahrt vor dem Rachen des Fisches, und dich hat er das Licht des Himmels wieder sehen lassen. Durch ihn sind wir mit allen Gütern überhäuft worden. Wie können wir ihm dies alles gebührend vergelten?

4 Ich bitte dich, Vater, frage ihn, ob er vielleicht die Hälfte von allem, was wir mitgebracht haben, annehmen will."

5 Vater und Sohn nahmen ihn also beiseite und baten ihn, doch die Hälfte von allem anzunehmen, was sie mitgebracht hätten.

6 Doch er sagte zu ihnen insgeheim: "Preist den Gott des Himmels und dankt ihm vor allen Lebenden, daß er an euch sein Erbarmen gezeigt hat!

7 Das Geheimnis eines Königs zu bewahren, ist gut. Aber Gottes Werke zu offenbaren und zu preisen, ist ehrenvoll.

8 Gebet mit Fasten und Almosen ist besser als Schätze von Gold aufhäufen.

9 Denn das Almosen errettet vom Tod, tilgt die Sünde und läßt Barmherzigkeit und ewiges Leben finden.

10 Die aber Sünde und Unrecht tun, sind Feinde ihrer eigenen Seele.

11 Ich offenbare euch nun die Wahrheit und verberge euch das Geheimnis nicht länger.

12 Als du unter Tränen betetest und die Toten begrubst, dein Mahl verließest und bei Tag die Toten in deinem Haus verbargst, um sie bei Nacht zu bestatten, brachte ich dein Gebet vor den Herrn.

13 Weil du Gott wohlgefällig warst, mußtest du dich bewähren in der Prüfung.

14 Nun hat mich der Herr gesandt, um dich zu heilen und Sara, die Frau deines Sohnes, von dem bösen Geist zu befreien.

15 Denn ich bin der Engel Rafael, einer von den sieben, die vor dem Herrn stehen."

16 Bei diesen Worten erschraken sie und fielen zitternd zur Erde auf ihr Angesicht.

17 Der Engel aber sprach zu ihnen: "Friede sei mit euch, fürchtet euch nicht!

18 Denn daß ich bei euch war, geschah nach Gottes Willen. Preist ihn und lobt ihn!

19 Es schien zwar, als ob ich mit euch aß und trank; ich genieße aber eine unsichtbare Speise und einen Trank, den die Menschen nicht sehen können.

20 Nun ist es Zeit, daß ich zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Ihr aber preist Gott und verkündet alle seine Wohltaten!"

21 Nach diesen Worten entschwand er ihren Blicken. Sie sahen ihn nicht mehr.

22 Drei Stunden lagen sie auf ihrem Angesicht und priesen Gott. Dann erhoben sie sich und erzählten alle seine Wundertaten.

 

Kapitel 13: Schluß

Tobits Lobgesang

1 Der alte Tobit tat seinen Mund auf, pries den Herrn und sprach: "In Ewigkeit bist du erhaben, Herr! Alle Zeiten umspannt dein Reich.

2 Denn du schwingst die Geißel und wirkst wieder Heilung, ins Totenreich führst du und wieder herauf: Keiner kann deiner Hand entfliehen.

3 Preist den Herrn, Israels Söhne! Vor den Heiden kündet sein Lob!

4 Denn darum warf er euch unter die Völker, die ihn nicht kennen, daß ihr erzählt sein wunderbar Wirken, ihnen Kunde bringt, daß sonst kein Gott ist als er, der Allmächtige.

5 Wohl traf seine Strafe uns ob unserer Sünden, doch auch retten wird er uns nach seinem Erbarmen.

6 So schaut nur, was an uns er getan, und bringt ihm Preis mit Zittern und Zagen: Verherrlicht mit euren Tagen den König der Ewigkeit!

7 Ich aber will ihn preisen in meiner Verbannung Land: Kund tat er seine Herrlichkeit einem sündigen Volk.

8 Darum, ihr Sünder, bekehrt euch! Wandelt vor Gott in rechtlichem Tun, voll Zuversicht, daß er sich euer erbarmt. –

9 Darüber will ich mich freuen aus ganzer Seele.

10 Preist den Herrn, ihr, seine Erwählten alle! Feiert fröhlich Feste, bringt Danksagung ihm dar.

11 Doch du, Stadt Gottes, Jerusalem, züchtigen wird dich der Herr wegen der Werke deiner Hände.

12 Doch dann lobe den Herrn durch dein gutes Tun, preise den ewigen Gott, daß er in dir wieder aufschlägt sein Zelt, zurückruft zu dir die Verbannten, daß deine Freude in alle Ewigkeit währt!

13 Dann wirst du schimmern in strahlendem Licht, beugen werden sich dir alle Grenzen der Erde.

14 Aus fernen Landen pilgern die Völker zu dir, bringen Geschenke, beten in dir den Herrn an, halten dein Land als ein Heiligtum:

15 Nur in dir rufen sie an den erhabenen Namen. – Verflucht sollen sein, die dich verachten!

16 Verworfen alle, die über dich höhnen! Doch gesegnet seien, die an dir bauen.

17 Deiner Kinder wirst du dich freuen, denn sie alle werden gesegnet, um den Herrn werden sie geschart.

18 Selig alle, die Liebe hegen zu dir, die deines Glückes sich freuen!

19 So preise, du, meine Seele, den Herrn! Denn der Herr, unser Gott, wird Jerusalem, seine Stadt, aus jeglicher Drangsal befreien.

20 Glücklich werde ich sein, wenn meine Nachkommen schauen dürfen Jerusalems Glanz.

21 Aus Saphir und Smaragd sind dann Jerusalems Tore, aus edlem Gestein ringsum all seine Mauern.

22 Mit schimmernden, blanken Fliesen sind belegt all seine Straßen, durch seine Gassen hin hallt: Halleluja.

23 Gelobt sei der Herr, der so sie erhöht! Sein Königtum walte über sie in Ewigkeit! Amen."

 

Kapitel 14: Ungetrübtes Glück bis zum Ende

1 Nachdem Tobit sein Augenlicht wiedererhalten hatte, lebte er noch 42 Jahre und sah noch seine Urenkel.

2 Er erreichte ein Alter von 102 Jahren und wurde in Ninive ehrenvoll begraben.

3 Sechsundfünfzig Jahre war er alt, als er das Augenlicht verlor, mit 60 Jahren erhielt er es wieder.

4 Den Rest seines Lebens brachte er in Freude zu, und mit dem Fortschritt in der Gottesfurcht wuchs sein Glück.

5 In seiner Todesstunde rief er seinen Sohn Tobias und dessen sieben junge Söhne, seine Enkel, zu sich und sprach zu ihnen:

6 "Ninive ist seinem Untergang nahe; denn das Wort des Herrn bleibt nicht unerfüllt. Dann kehren unsere Brüder, die fern vom Land Israel zerstreut sind, dorthin zurück.

7 Ihr ganzes verödetes Land wird wieder bevölkert, das verbrannte Gotteshaus wieder aufgebaut, und alle Gottesfürchtigen kehren dahin zurück.

8 Die Heiden verlassen ihre Götzen und kommen nach Jerusalem, um dort zu wohnen.

9 Alle Könige der Erde werden da voll Freude den König Israels anbeten.

10 Hört also, meine Kinder, auf euren Vater: Dient treu dem Herrn und seid bestrebt, zu tun, was ihm wohlgefällig ist!

11 Haltet eure Kinder dazu an, daß sie Gerechtigkeit und Wohltätigkeit üben, daß sie Gott vor Augen haben und ihn allezeit aufrichtig und mit allen ihren Kräften preisen!

12 Nun, Kinder, hört auf mich und bleibt nicht hier! Sobald ihr eure Mutter neben mir in einem Grab bestattet habt, brecht auf und zieht weg!

13 Denn ich sehe, daß die Schlechtigkeit der Stadt ihren Untergang herbeiführen wird."

14 Nach dem Tod seiner Mutter zog Tobias mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln aus Ninive weg und kehrte zu seinen Schwiegereltern zurück.

15 Er fand sie trotz ihres hohen Alters noch rüstig und pflegte sie, bis er ihnen die Augen schloß. Er übernahm das ganze Erbe des Hauses Raguël und sah noch seine Kindeskinder bis ins fünfte Geschlecht.

16 Nachdem er 99 Jahre in der Furcht des Herrn glücklich gelebt hatte, begruben sie ihn.

17 Seine ganze Familie und seine ganze Nachkommenschaft verharrte in einem guten und frommen Lebenswandel, so daß sie bei Gott und den Menschen und allen Bewohnern des Landes beliebt waren.